Endlich ist es da: Das Handbuch, das Übersetzern den Einstieg in die Freiberuflichkeit erleichtert und gleichzeitig noch Spaß macht!
„Überleben als Übersetzer – Das Handbuch für freiberufliche Übersetzerinnen“ widmet sich mit großer Hingabe dem Thema Marketing. Gleichzeitig liefert es Antworten auf allgemeine praktische Fragen wie etwa welche Punkte eine ordentliche Rechnung enthalten sollte inklusive konkretem Musterbeispiel.
Ausgehend von der Frage „Was ist Professionalität?“ unterteilt sich das Anfangskapitel in die Entscheidung Kleinunternehmer oder Umsatzsteuerpflicht?, Bin ich ein Gewerbe? sowie Informationen zur Vermögensschadenhaftpflichtversicherung, Berufshaftpflicht-versicherung und BDÜ-Mitgliedschaft.
Solche und ähnliche Fragen dürften wohl jeden Anfänger beschäftigen, werden allerdings aufgrund ihres drögen, normalerweise rein organisatorischen Charakters nicht unbedingt in Zusammenhang mit einer erfolgreichen Selbstvermarktung gebracht. Nach Ansicht der Autorin hingegen erkennt der potenzielle Auftraggeber bereits anhand der Umsatzsteuer-ID und der Daten zur Vermögensschadenshaftpflichtversicherung im Impressum der Website, dass er es mit einer qualifizierten Fachkraft zu tun hat.
Das Anschlusskapitel widmet sich ausführlich der Gestaltung einer eigenen Website angefangen mit der Suche nach einer geeigneten Domain, gefolgt von einer konkreten Anleitung zur Erstellung der Website mit dem von der Autorin empfohlenen Blogsystem „WordPress“ bis hin zur Frage nach den Inhalten.
Die folgenden Kapitel befassen sich mit der Suchmaschinenoptimierung, den sozialen Netzwerken XING, LinkedIN, Twitter, Facebook und Google+ sowie einer Fülle von Möglichkeiten des On- und Offline-Marketings gefolgt von rein betriebswirtschaftlichen Themen wie Angebot, Auftrag, Rechnung, Reklamationsmanagement und Forderungsmanagement. Daran angeschlossen ist der Bereich „Weiterbildung“, in dem die gerade für Berufseinsteiger interessanten Fragen nach einer Vereidigung/Ermächtigung, CAT-Tools etc. angeschnitten werden. Den Abschluss bilden die Themen Marketinganalyse und lohnende Anschaffungen.
Insgesamt lässt sich Folgendes feststellen: Die Autorin begeistert sich in einem Maß für das Thema Marketing, wie es in unserer Branche und gerade für „Einzelkämpfer“ unüblich ist und eben diese Begeisterung ist ansteckend! Das Handbuch liest sich wie eine Rezeptsammlung zum Thema „Wie mache ich auf mich aufmerksam?“ und enthält dabei viele nützliche Anregungen wie z. B. die Nutzung von Twitter als Marketinginstrument bzw. als Großraumbüro, das Verfassen von Kommentaren auf Blogs anderer oder das Veröffentlichen von Pressemitteilungen oder Artikeln für Fachzeitschriften. Sogar der Gedanke, einen Film zur Selbstpräsentation auf YouTube zu veröffentlichen, wird hier einmal „laut gedacht“.
Der Stil ist von einem teilweise fast schon leichtfertigen Umgang mit der Sprache geprägt, der eher an das gesprochene Wort erinnert und gelegentlich ein wenig flapsig erscheint. Andererseits wird er von der Autorin bewusst eingesetzt, um sich von dem normalerweise in Fachliteratur verwendeten sachlich-nüchternen Ton abzuheben.
Hier eine kleine Leseprobe aus dem Kapitel „Agenturen suchen anders“:
Es gibt natürlich noch andere Auftragsbörsen, TraduGuide zum Beispiel. Hier schreiben häufig auch Unternehmen und Privatkunden Aufträge aus. Kann sich lohnen, wenn man beispielsweise eine übersetzte Website eines Unternehmens für die Referenzliste haben möchte. Meiner Erfahrung nach geht es hier jedoch fast immer tatsächlich nur um den Preis. Weitere Seiten sind Translatorscafe.com, bewords.com, um nur einige zu nennen. Registrieren, ausprobieren, schadet nichts. (S. 166)
Das knapp 200 Seiten umfassende Handbuch gibt in diesem Stil den kompletten Erfahrungsschatz der Autorin weiter, sprüht nur so vor Ideen und Tipps und wird niemals langweilig. Vielleicht auch gerade wegen der nicht wissenschaftlichen Ausdrucksweise liest es sich wie ein spannender Roman und ist daher für Existenzgründer rundum empfehlenswert.
Aufgrund der starken Technikorientierung beim Thema Online-Marketing (Website-Erstellung und -Optimierung, Bloggen, Verlinkung usw.) dürfte der Leitfaden aber auch für alt eingesessene Übersetzer interessant sein, die entweder neue Kunden hinzugewinnen möchten oder nach neuen Wegen der Kundenpflege suchen. Auch für Studierende ist das Handbuch sicherlich sehr lesenswert, weil es einen interessanten Einblick in die Praxis liefert.
Da die beschriebenen aktuellen Methoden des Online-Marketings vermutlich bereits in ein paar Jahren veraltet sein werden, eignet sich das Buch allerdings nicht als Standardwerk für wissenschaftliche Bibliotheken. Abgesehen davon handelt es sich ohnehin eher um einen Erfahrungsbericht und nicht um ein Fachbuch. Vielmehr ist es als eine Art Betriebsanleitung auf dem Weg zum Erfolg zu sehen und obendrein eine unterhaltsame Lektüre.
Fazit: Es gibt nur zwei Themen, die ich persönlich als Existenzgründer vermisse: Kranken- und Rentenversicherung. Auf alle anderen Fragen (und weit darüber hinaus) konnte mir das Buch konkret Auskunft geben. Aus der großen Fülle an dargestellten Marketing-Ideen kann sich jeder seine persönlichen Favoriten herauspicken und sein Glück versuchen.
Übrigens: Auch wenn Miriam Neidhardt durchgängig von Übersetzerinnen anstelle von Übersetzern spricht, sollten auch männliche Kollegen nicht zögern, einen Blick in das Buch zu werfen. Schadet nicht und war bestimmt nicht böse gemeint …
Ilka Trautmann, Diplom-Übersetzerin (BDÜ) für Deutsch, Englisch und Italienisch
Tja, wenn FRAU Neidhardt durchgängig von „Übersetzerinnen“ spricht, wird sie die wohl auch meinen. Denn als professionelle Übersetzerin praktiziert frau (hihi) doch die präzise Anwendung von Sprache.
Insofern falle ich als MANN definitiv nicht in die Käuferinnen-Zielgruppe und werde konsequenterweise auch keine Investition in dieses Werk tätigen.
Gruß,
Martin Gilbert
Dipl.-Übersetzer Englisch/Russisch
Fachwirt für Kommunikation und Marketing