Susanne ist Diplom-Übersetzerin für Französisch und Japanisch, doch wie das Schicksal so spielt, übersetzt sie seit Beginn ihrer freiberuflichen Laufbahn vor 20 Jahren am häufigsten aus dem Englischen. Im Laufe der Zeit haben sich für sie zwei relativ getrennte Geschäftsbereiche herausgebildet, denn sie arbeitet ebenso gern als Fachübersetzerin für Medizin und Biologie (www.schmidt-wussow.de) wie als Übersetzerin von Kinder- und Sachbüchern (www.buchprinzessin.de). Ihr Blog „300 Words“ (blog.schmidt-wussow.de) liegt leider seit geraumer Zeit im Dornröschenschlaf, aber wer weiß? Vielleicht erwacht es irgendwann ja doch noch wieder zum Leben … Man soll die Hoffnung ja nie aufgeben. Auf Twitter ist sie schon seit geraumer Zeit als @frenja unterwegs und Facebook ist so etwas wie ihr zweiter Wohnsitz.
Wie kamst du auf die Idee, Übersetzerin zu werden?
Als ich etwa 15 war, hielt eine Lehrerin (ich weiß gar nicht mehr, in welchem Fach das war) ein Blatt mit einem englischen Text hoch und fragte, wer denn gut in Englisch sei. Meine Klasse zeigte auf mich, den Sprachnerd, und sie fragte mich, ob ich wohl diesen Text zu Hause ins Deutsche übersetzen könnte, weil sie ihn mit der Klasse besprechen wollte. Soweit ich mich erinnere, war es ein afrikanischer Schöpfungsmythos, und ich weiß noch genau, wie viel Spaß mir das Übersetzen gemacht hat. Ein echter englischer Text in freier Wildbahn, das war schon etwas anderes als die Schulbuchtexte, die ich sonst so gewohnt war. Ich weiß nicht mehr, wie gut meine Übersetzung tatsächlich wurde, aber von da an stand mein Berufswunsch fest.
Wie hast du deine Spezialisierung gefunden und wie hast du dich dann in diesem Fachbereich spezialisiert?
Ich habe mich auf Medizin (vor allem Zahnmedizin) und Biologie spezialisiert und im weiteren Sinn auch auf andere naturwissenschaftliche Texte. Das war einfach eine Frage des Interesses – Jura und Wirtschaft fand ich schon während des Studiums in den Fachübersetzungskursen furchtbar langweilig, während mich medizinische und naturwissenschaftliche Themen schon immer interessierten. Also übernahm ich immer mehr Aufträge aus diesen Bereichen, wenn sie mir angeboten wurden, und lernte durch die erforderlichen Recherchen bei jedem Auftrag dazu. Später begann ich dann, gezielt Fortbildungsveranstaltungen des BDÜ und anderer Verbände (z. B. des ITI Medical Network) zu besuchen, ging auf Messen, Fachkongresse und Infoveranstaltungen in meinen Bereichen (in Berlin ist die Auswahl zu meinem Glück sehr groß, die Charité bietet häufig solche Veranstaltungen an) und auch einige meiner Direktkunden bieten Weiterbildungskurse an, die mir natürlich durch die Nähe zu ihren Produkten bei meiner Arbeit besonders weiterhelfen. Auch Webinare sind eine gute Möglichkeit, sich ohne viel Zeitaufwand und relativ kostengünstig weiterzubilden. Eine Weile habe ich auch sehr gerne MOOCs (Massive Open Online Courses) absolviert, dazu fehlt mir inzwischen leider ein bisschen die Zeit.
Wie kamst du an deinen allerersten Auftrag?
Mein allererster Auftrag kam noch während meines Studiums. Ich hatte mit zwei Freundinnen zusammen ein studentisches Übersetzungsbüro gegründet (das es in abgewandelter Form – und natürlich inzwischen nicht mehr studentisch – übrigens heute noch gibt) und sollte dann für eine andere Studentin oder Doktorandin einen japanischen Text über Musikwissenschaft übersetzen. Das war spannend, hat großen Spaß gemacht und Zeit hatte ich auch genügend. Insgesamt eine tolle Erfahrung, auch die Kundin war sehr zufrieden. Mein erster Auftrag nach dem Diplom kam durch eins der damals noch nicht so zahlreichen Portale, wenn ich mich recht erinnere, wahrscheinlich entweder TraduGuide oder Sprachmittler.de.
Arbeitest du vorwiegend mit Agenturen oder mit Direktkunden und hat sich das im Lauf der Zeit geändert?
Am Anfang hatte ich überwiegend Agenturkunden, wie wohl die meisten. Inzwischen arbeite ich kaum noch mit Agenturen, aus diesem Markt habe ich mich wohl inzwischen „rausgepreist“. Ab und zu kommen noch Anfragen für beglaubigte Übersetzungen aus dem Japanischen, die schiebe ich dann manchmal noch dazwischen, aber neben den Preisen sind auch die oft kurzen Deadlines für mich problematisch – meistens bin ich so ausgelastet, dass ich kurzfristig keine größeren Aufträge annehmen kann, und bei den Agenturen muss es ja oft hopphopp gehen. Den Stress brauche ich, ehrlich gesagt, auch nicht unbedingt. Direktkunden habe ich einige wenige, da macht mir die Zusammenarbeit auch viel mehr Spaß, weil ich direkt sehe, was aus meinen Übersetzungen wird, ich kann knifflige Terminologieprobleme direkt mit den richtigen Ansprechpartnern lösen und fühle mich nicht wie eine von vielen, so wie es bei Agenturen häufig dann doch ist. Am häufigsten arbeite ich derzeit für Verlage oder sogenannte Book-Packager, also Agenturen, die von der Übersetzung über das Lektorat bis zum Druck die Erstellung eines deutschen Titels für die Verlage übernehmen.
Was liebst du an deinem Job am meisten?
Definitiv die Abwechslung! Heute arbeite ich an einer hochtechnischen Broschüre über die neuesten kieferorthopädischen Technologien, morgen ist wieder ein Kinderbuch dran und danach vielleicht ein Sachbuch für Erwachsene. Jeder Text hat andere Schwierigkeiten und Anforderungen, für jeden brauche ich unterschiedliche Bereiche meines Gehirns. Deshalb vermeide ich es inzwischen möglichst auch, an einem Tag an zwei Projekten zu arbeiten. Das habe ich früher meist so gemacht, um das Gefühl zu haben, mit beiden voranzukommen, aber ich verliere einfach zu viel Zeit, bis ich von einem Modus in den anderen umgeschaltet habe.
Was hasst du an deinem Job am meisten?
Na ja, „hassen“ wäre vielleicht ein bisschen übertrieben, aber es ist schon ein wenig belastend auf die Dauer, wenn man nur schwer richtig abschalten kann, weil man in Gedanken schon beim nächsten Auftrag ist oder aber sich Sorgen macht, wann er kommt. Dass man sich oft nicht mal ein paar Tage freinimmt, wenn man krank ist, sondern sich trotzdem irgendwie an den Schreibtisch schleppt, weil „freie“ Tage vor allem umsatzfreie Tage bedeuten und das im Kopf eine zusätzliche Belastung ist – hilft auch nicht gerade beim Auskurieren. Das hat allerdings nicht direkt mit dem Übersetzerinnendasein zu tun, sondern eher mit der Selbstständigkeit, das geht freien Autorinnen, Grafikerinnen, Webdesignerinnen etc. ja nicht anders. Früher habe ich Preisverhandlungen gehasst, aber inzwischen macht mir das nicht mehr viel aus. Alles Übungssache!
Was war dein bisher schönstes Übersetzungsprojekt?
Oh, da gab es so einige! Eins der absoluten Highlights der letzten Jahre war aber die Übersetzung von „Die Lagune“ von Armand Leroi, ein erzählendes Sachbuch über Aristoteles und wie er die Naturwissenschaften erfand. Das war zum einen einfach hinreißend geschrieben und zum anderen verlangte es mir auch einiges ab, was die Recherche anging – ich musste also sprachlich wie fachlich alle Register ziehen und buchstäblich alles geben, was ich konnte. Das war ein unglaublich befriedigendes Gefühl im Vergleich zu, sagen wir mal, Itemlisten für Online-Computerspiele, wie ich sie am Anfang meiner Karriere noch häufiger auf dem Tisch hatte. Und als „mein“ Buch dann auch noch in den Feuilletons der großen Zeitungen gut besprochen wurde, platzte ich natürlich vor Stolz!
Welchen Tipp würdest du anfangenden Kolleginnen geben?
Habt keine Angst vor dem Scheitern! Man bekommt heute zu allen Themen, die mit dem Übersetzerinnendasein zu tun haben, so viele unterschiedliche Ratschläge – egal, ob es um Tools geht oder um Akquise oder um Preisverhandlungen, es gibt nicht den einen Königsweg, der für alle richtig ist. Man muss selbst ausprobieren, was zu einem passt, was funktioniert und was nicht, und Fehlversuche und Scheitern gehören unbedingt dazu! Auch wenn man mal was ausprobiert und hinterher weiß, das funktioniert für mich definitiv nicht, hat man eine wichtige Erkenntnis gewonnen. Man hat nichts „falsch“ gemacht, sondern etwas ausprobiert. Und wenn man wirklich mal einen richtig schlimmen Fehler gemacht hat – auch das kommt vor, ist fast allen mal passiert. Wichtig ist nur, daraus zu lernen und ihn nicht zu wiederholen.
Achtet von Anfang an auf Ergonomie am Arbeitsplatz. Investiert lieber erst mal in einen guten Bürostuhl statt in eine teure Software. Ihr werdet einen Großteil der nächsten Jahrzehnte am Schreibtisch verbringen – euer Rücken wird es euch danken.
Wie hast du es geschafft, dir ein berufliches Netzwerk (zu Firmen, aber auch zu Kollegen) aufzubauen?
Ich habe festgestellt, dass berufliche Beziehungen nicht vollkommen anders sind als private: Auch sie wollen gepflegt werden und dazu muss man sich ab und zu einfach mal blicken lassen. Es liegt mir überhaupt nicht, auf Netzwerkveranstaltungen oder Messen neue Kontakte zu knüpfen, das mache ich nicht mehr. Ich versuche aber, meine wichtigsten Kunden ab und zu auf Messen oder ähnlichen Veranstaltungen zu besuchen, das macht einfach einen Unterschied, wenn man ein Gesicht vor Augen hat (auf beiden Seiten) und nicht nur eine E-Mail-Signatur. Den Kontakt zum Kolleg*innenkreis halte ich teils über diverse soziale Medien wie Twitter und Fachforen auf Facebook, teils über Treffen wie das alljährliche Powwow in Berlin, Stammtische (zu selten) und natürlich Konferenzen und Seminare. Da hat man immer ein paar Tage zusammen und bei einem entspannten Abend im Restaurant oder in der Kneipe lernt man sich gleich noch mal besser kennen als tagsüber, wenn man noch das Berufsgesicht trägt. :-)
Welchen Tipp hast du für die erfolgreiche Kundenakquise?
Erfolgreich ist man eigentlich ja immer nur mit dem, was einem liegt und von dem man überzeugt ist. Kaltakquise funktioniert bei mir zum Beispiel überhaupt nicht, ebenso alles andere, was über das Telefon geht, da bin ich einfach nicht so souverän wie schriftlich. Mit Blindbewerbungen dagegen hatte ich schon überraschend häufig Erfolg, auch wenn einem sonst jeder sagt, das hätte überhaupt keinen Sinn (z. B. bei Verlagen). Mein Tipp ist daher: Probiert verschiedene Akquisewege aus und bleibt bei dem, was euch am leichtesten fällt und wo ihr euch am wenigsten verstellen müsst. Für manche ist das ein zwangloses Gespräch am Messestand, für andere das Netzwerkfrühstück, für wieder andere gezielte E-Mails oder ganz was anderes. Seid kreativ und auch hier: Keine Angst vor dem Scheitern!
Was würdest du an deiner Ausbildung/an deinem Werdegang heute anders machen, wenn du könntest?
Ich habe mich direkt nach der Uni selbstständig gemacht, vollkommen ohne Businessplan und auch ohne viel Ahnung von der Berufspraxis. Ganz schön blauäugig, wenn ich heute so drüber nachdenke, aber es hat zum Glück trotzdem gut geklappt. Was ich über das Dasein als Freiberuflerin und Unternehmerin wissen musste, habe ich mir nach und nach angeeignet, aber da ich niemals angestellt gearbeitet habe, fehlt mir bis heute der Einblick in Unternehmensabläufe. Das habe ich schon häufiger bedauert, weil ich dadurch manchmal wirklich Schwierigkeiten habe, mich in meine Unternehmenskunden hineinzudenken. Wer ist wofür zuständig, wer entscheidet was, wie hoch ist der Druck auf den Ausführenden, die z. B. mich beauftragen? Ich würde also im Rückblick vielleicht doch erst mal versuchen, eine Weile irgendwo in Festanstellung zu arbeiten, bevor ich mich selbstständig mache. Wobei – als ich anfing, wurden die Sprachendienste der Unternehmen gerade überall abgebaut und alles an Agenturen ausgelagert, es war also gar nicht so einfach, irgendwo eine Anstellung zu finden. Als Freiberuflerin dagegen hatte man damals ganz gute Chancen, die Globalisierung nahm gerade erst an Fahrt auf, der Markt war noch viel übersichtlicher und weniger hart umkämpft als heute. Falsch war die Entscheidung also nicht, auch wenn mir heute die Angestelltenperspektive manchmal fehlt.
Was war deine bisher beste Anschaffung?
Wahrscheinlich mein Zeiterfassungstool. Heißt JobTimer und ich habe es von Anfang an verwendet, um meine Nettoarbeitszeit zu bestimmen. Es funktioniert wie eine Stechuhr, ich klicke einfach auf einen Button, wenn ich anfange zu übersetzen, und klicke wieder, wenn ich eine Pause mache. So habe ich erstens ein gutes Gefühl dafür, wie lange ich für einen Text brauche, und kann außerdem hinterher bestimmen, wo mein Stundensatz lag, ob sich der Auftrag also gelohnt hat oder nicht. Das ist manchmal sehr ernüchternd, aber auch notwendig. So kann ich sehen, ob ich zu viel Zeit mit den falschen, sprich unlukrativen Aufträgen verbringe, und gezielt mehr in Richtung lukrative steuern.
Noch ein Tool, auf das ich nicht verzichten möchte: der TextExpander. Der ersetzt Kürzel, die ich eintippe, durch vorher definierte Wörter, Satzteile oder ganze Textbausteine, und das in jeder gewünschten Anwendung. Was hat der mir nicht schon für Zeit gespart! Vor allem in Texten mit vielen Wiederholungen und wiederkehrenden Formulierungen wie Koch- und Handarbeitsbüchern, aber auch Namen in Kinderbüchern, Standardabsagen per E-Mail – geht alles ratzfatz und um Tippfehler muss ich mir auch keine Sorgen machen. Ganz fantastisches kleines Helferchen.
Gelohnt hat sich für mich auch die Entscheidung für ein InDesign-Abo, weil ich den Verlagen so eine Extraleistung anbieten kann: Übersetzen direkt im Layout. Erleichtert ihnen die Arbeit und ich kann ein bisschen mehr dafür berechnen als fürs reine Übersetzen. Aber es ist natürlich immer sehr individuell, welche Anschaffungen sich in der eigenen Situation lohnen und welche nicht – die Windows-Partition auf meinem Rechner samt Trados (ich arbeite am Mac) hätte ich mir z. B. sparen können, die benutze ich so gut wie nie, sondern stattdessen ein anderes CAT-Tool (CafeTran), das wunderbar auch mit Studio-Dateien zurechtkommt. Wobei ich die ohnehin selten bekomme, da ich ja kaum für Agenturen arbeite. Aber wie gesagt, so was hängt total von der individuellen Situation ab.
Wie hältst du dich auch als alter Hase auf dem Laufenden?
Zu lernen gibt es immer was. Ich halte ständig die Augen offen nach interessanten Veranstaltungen – es gibt in Berlin zum Beispiel nicht wenige öffentliche Vortragsreihen oder Symposien, mit denen ich den Anschluss in den medizinischen und medizintechnischen Entwicklungen in meiner Region halte, aber auch unter den Webinaren vom BDÜ finde ich immer mehr für mich Interessantes. Am liebsten tummle ich mich da, wo keine anderen Übersetzer*innen sind, man schmort sonst doch zu schnell im eigenen Saft. Nicht, dass ich nicht gerne mit Kolleg*innen Zeit verbringe, aber das dann eher unter dem Motto Netzwerken.